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DIY-IBA fragt. Visionen, Szenarien, Ideen. Wie geht's weiter?
Die hier vorliegenden Texte sind der Beginn einer Interviewreihe. Als Redaktion der Do- It-Yourself-IBA interessiert uns das Themenfeld der Initiativkultur in der Architektur und in der Stadtentwicklung. Dieses Do-It-Yourself ist in Berlin überall greifbar und ent- wickelt sich auf der Ebene der Stadtentwicklung zu einem neuen, maßgeblichen Paradig- ma. Die Interviews sind für uns der nächste Schritt, um mehr über die Motive und Me- thoden der Akteure zu erfahren und um präzisere und belastbarere Begriffe zu finden. Mit Sonja Beeck sprechen wir über den Wissenstransfer, den eine IBA bedeutet. Francesca Ferguson berichtet in dem Gespräch über ihre Sicht auf den Diskursverlauf der letzten Jahre und ihre aktuelle kuratorische Arbeit. Arno Brandlhuber und Christian Schöningh haben wir gemeinsam interviewt, um gerade durch die Gegenüberstellung ihrer Metho- den etwas über den Umgang mit den architektonischen und stadtentwicklungspolitischen Rahmenbedingungen ihrer Initiativprojekte zu erfahren. Wenn sich zukünftig die städti- sche Liegenschaftspolitik ändert, dann wird sogenannten Konzeptvergaben eine besondere Bedeutung zukommen. Wir interviewen hierzu Andreas Krüger und Ines-Ulrike Rudolph, die bereits Erfahrungen in diesem Bereich gemacht haben. Die Interviews ermöglichen im Idealfall einen unmittelbaren Einblick in die Denk- und Arbeitsweise der Akteure, wes- halb wir davon absehen, sie mit ihren Berufsbezeichnungen und Biographien einzuführen.
DIY-IBA fragt Francesca Ferguson
DIY-IBA: Du bist seit über zwei Jahrzehnten als Kuratorin eng verbunden mit den selbstinitiierten Ansätzen in der Berliner Architektur. Wie erlebst du die gegenwärtige Situation?
FF: Die Prä-IBA Diskussion über den Stadtraum, gefühlte Peripherien und urbane Interventionen haben eine große Diskurswelle ausgelöst in Berlin. Es hat aber, wie ich finde, hauptsächlich das Fachpublikum einbezogen. Die Slogans der IBA wurden sicher dreimal geändert und dann zum Schluss von bestimmten Kräften in der Berliner SPD instrumentalisiert, bis das große Projekt IBA 2020 vorerst keinen wirklichen Halt mehr fand. Parallel zu der Diskussion um die IBA fand ich die Entwicklung des Runden Tisches zur Liegenschaftspolitik und die zivile Bewegung zum Erhalt des Tempelhofer Felds am interessantesten. Eine freie Szene von Künstlern, Planern und Architekten zeigt sich nach langer Zeit wieder politisch aktiv. Es wird zunehmender Druck auf die Berliner Regierung ausgeübt, um Alternativen zu der kurzsichtigen, profitorientierten Verkaufsstrategie für das wertvollste Gut dieser Stadt zu überlegen - nämlich ihr Grund und Boden. Es merken scheinbar immer mehr Menschen dieser Stadt, wie kurz davor man steht, diese kostbaren Freiräume zu verlieren. DIY-IBA: Inwieweit können Ausstellungen und kuratorische Interpretationen eine Situation fördern? Braucht es neue Begriffe, um die Situation besser verstehen zu können? FF: Ich stehe als Kuratorin natürlich immer für die Vermittlung der Stadtplanung und der innovativen Architektur, die über Ausstellungen und Diskursplattformen ein breites Publikum ansprechen können. Die Menschen brauchen das Greifbare, das Konkrete: Modelle, Case Studies, Aussagen über ihre Gegenwart. Das ist eine Herausforderung, die auch andere Disziplinen miteinbezieht. Ein Städtediskurs, der sich stetig entwickelt, findet auch neue Begriffe für die urbanen Transformationsprozesse und Tendenzen, die eine Stadt prägen. Es ist genau wie in der Kunst, im Theater und im Design – wenn man merkt, dass Sprache erstarrt, so ist es ein Zeichen, dass es auch in der Praxis nicht weiter geht. DIY-IBA: Eine IBA ist auch immer ein politisches Instrument. Die städtische IBA ließ sich politisch nicht darstellen und wurde abgesagt. Ist das Ringen um das Konzept Stadt ideologisch immer noch so aufgeladen? Oder ist das Label einer IBA nicht mehr zeitgemäß? FF: Ich bin der Meinung, es soll immer in einer sich rasant entwickelnden Stadt wie Berlin unterschiedlichste Plattformen geben, wo das Laienpublikum, politische Entscheidungsträger und potenzielle Entwickler zusammengeführt werden können, um über die Prozesse der Stadtentwicklung zu reflektieren oder zu streiten. Und natürlich bleibt der Diskurs über Stadtmachen ideologisch – so soll es sein, und es war nie anders. Wichtig ist, dass jene kritischen Stimmen, die ein rein profitorientiertes Handeln und Gestalten im urbanen Kontext jahrelang angefochten haben, nicht genau jetzt den symbolischen Kern – damit meine ich auch die Stadtmitte selbst - den reaktionären, konservativen politischen Kräften überlassen, die es zu einer braven Kultur- und Shoppingmeile umgestalten möchten. DIY-IBA: Es ist eine der zentralen Motivationen für uns als DIY-IBA-Redaktion, dass wir davon überzeugt sind, dass etwas IBA-ähnliches in Berlin schon längst begonnen hat. Die selbstinitiierte Berliner Bautätigkeit wird bereits jetzt international breit wahrgenommen. Es reisen ständig aus Deutschland, Europa und teilweise auch aus der ganzen Welt Stadtdelegationen und akademische Besuchergruppen an, um sich die selbstiniitierten Häuser in Berlin anzuschauen, die in den letzten Jahren entstanden sind. Schon darin zeigt sich eine informelle Kraft, wie nämlich das Wissen über diese neuen Ansätze international wahrgenommen werden. Wo setzt du mit deiner kuratorischen Tätigkeit in diesem Bereich an? FF: Es gibt in dieser Stadt seit 2002 keine international ausgerichtete öffentliche Diskussion über neue Architektur und Stadtentwicklung. Wieso gibt es in zahlreichen Städten, von Lissabon bis Oslo, Rotterdam und London schon längst wiederkehrende Biennalen und Festivals für Architektur und Stadtentwicklung und in Berlin nicht? Ich bin überzeugt, dass die transdisziplinären Netzwerke dieser Stadt – die Designszene, die Kunst, und die Architekturszene - wie sonst nirgendwo sonst zusammengeführt werden können in ein gemeinsames celebrieren, kritisieren und sichtbar machen der aktuellen urbanen Entwicklungen. Und an diesem Punkt setzte ich an, indem ich mit einigen Partnern zusammen ein Festival für Architektur und urbane Gestaltung für und mit Berlin für 2015 initiiere.
DIY-IBA fragt Andreas Krüger und Ines-Ulrike Rudolph
DIY-IBA: Ihr habt beide in den letzten Jahren Erfahrungen mit Konzeptvergaben öffentlicher Grundstücke gemacht. Andreas hat diesen Prozess bei der Vergabe der Grundstücke am Blumengroßmarkt begleitet und Ines hat die Vergabe und Nutzung der Pionierflächen auf dem Tempelhofer Feld betreut. Wie sind die Konzeptvergaben hierfür entstanden?
IR: Die Entwicklung des Verfahrens für die Pionierfelder erfolgte auf Grundlage der Ergebnisse der Ideenwerkstätten 2007 und 2008, den Ergebnissen des Onlinedialogs 2009 sowie in der Zwischenzeit entstandener Analyse- und Konzeptarbeiten zum Standort. Wir haben uns stark auf die lokal beschriebenen Qualitäten und Entwicklungsziele konzentriert und ein spezifisches Verfahren entwickelt, das aber auch Übertragbarkeit auf andere Standorte besitzt. DIY-IBA: Gab es eine berufliche Vorgeschichte, eine Art Spezialisierung, durch die du in diese Tätigkeit hineingekommen bist? IR: Als tx-büro für temporäre architektur haben wir uns bis zu diesem Zeitpunkt auf Bundesebene im Rahmen von Forschungsprojekten und Gutachten im Diskurs der nachhaltigen Stadtentwicklung bewegt. Und gleichzeitig auf lokaler Ebene eigene Projekte initiiert oder darin mitgearbeitet, um herauszufinden, wie das geht – nachhaltige und partizipative Stadtentwicklung. DIY-IBA: Wie ist dieses Wissen dann in das Pionierverfahren eingeflossen? IR: Das Wissen fließt auf allen Ebenen der Verfahrensentwicklung ein. Die Ebenen sind: das Auswahlverfahren, die konkrete Umsetzung vor Ort und eine integrierte Entwicklung mit den Pionierprojekten. Erarbeiten, Anwenden und gleichzeitige Analyse, Abstraktion und Justierung haben nun zu einem Regelverfahren zur Auswahl von Projekten geführt. Um die Bewerber im THF-Pionierverfahren kategorisieren und bewerten zu können, haben wir einen Steckbrief- und Bewertungsbogen entwickelt. Es wurden Projekte gesucht, die die Leitbilder des Standortes widerspiegeln, beziehungsweise Schnittstellen zu mehreren dieser Leitbilder haben, um vielfältige Synergien zwischen den Projekten in der weiteren Entwicklung zu ermöglichen, zur innovativen Clusterbildung. DIY-IBA: Innovative Clusterbildung, ist das ein mögliches Stichwort für dich, Andreas? Welche Erfahrungen sind bei dir in die Moderation des Konzeptverfahrens am Blumengroßmarkt eingeflossen? AK: Die Vorlage für den Vergabeprozess am Blumengroßmarkt war für mich das Projekt am Moritzplatz: die Direktvergabe des ehemaligen Bechsteinhauses und der Vermietung der Fläche des ehemaligen Wertheimkaufhauses, den heutigen Prinzessinnengärten, an Modulor. Diese Erfahrungen eines selbstinitiierten und konzeptorientierten Vergabeansatzes flossen beim Verkauf der drei, mittlerweile vier Baufelder rund um den ehemaligen Blumengroßmarkt ein. Wenn man so will, war dies eine Form des abgemilderten Clusterns, ein Mischverhältnis von Kreativwirtschaft, Kultur, Kleingewerbe, Gastronomie, Wohnen und Wohnfolgeeinrichtungen. DIY-IBA: Gibt es Vorläufer für die Kriterienkataloge, mit denen ihr gearbeitet habt? AK: Natürlich habe ich mich in diesem Zuge auch über Konzeptverfahren in Berlin und in anderen Städten informiert und versucht, das Beste beziehungsweise Sinnvolles einfließen zu lassen. Aber jedes Objekt/Areal hat eigene Herausforderungen und benötigt damit auch eigene Kriterien. Also so etwas wie: „Customized Criteria“. DIY-IBA: Wie wichtig sind die Kriterienkataloge für eine nachvollziehbare Vergabe? AK: Sie haben hohe Bedeutung. Fachlich-inhaltlich und auch hinsichtlich der durchgängigen transparenten Prozessbegleitung. Man sollte über ein Basis- und mehrere Spezialmodule nachdenken und diese dann als 'Norm' setzen. Als eine Art Baukasten. Monitoring und Controlling könnte dann beispielsweise das vom Runden Tisch geforderte unabhängige Gremium: der “Rat für die Räume” (Arbeitstitel) übernehmen. IR: Der Kriterienkatalog ist insofern wichtig, weil er ermöglicht, das Projekt einzuschätzen und zu beurteilen. Und die Steckbrief- und Bewertungsmatrix erlaubt eine transparente Kommunikation der Auswahl. Die Bewertung gewährleistet eine möglichst objektive Vorprüfung im zweistufigen Auswahlprozedere, da man sich über gemeinsam gesetzte Qualitätskriterien verständigt. Im Diskurs werden dann auch inhaltliche Punkte ermittelt, die bisher nicht berücksichtigt, aber zukünftig aufgenommen werden sollten. DIY-IBA: Gibt es noch weitere Einsatzfelder der Kriterienkataloge? IR: In persönlichen Gesprächen muss man sich dann einen Eindruck zum konkreten Entwicklungsstand des Projektes und der Tragfähigkeit der Struktur verschaffen. Die Auswahlkriterien sind in Folge wichtig, um alle Beteiligten an die qualitativen Ziele zu erinnern und die Entwicklung der ausgewählten Projekte entlang ihrer formulierten Erwartungen und eigenen Leitthemen zu stärken und die Zusammenarbeit zu justieren. DIY-IBA: Welche Rolle spielen die Punktesysteme, die ihr bei den Kriterienkatalogen angewandt habt? IR: Das Punktesystem erlaubt eine Gewichtung und letztlich qualitative Differenzierung. AK: Die Punktesyteme sind ein Teil der Entscheidungsfindung und als Vereinfachung wichtig. Die Punktevergabe sollte aber ausführlich nach ebenfalls festzulegenden Faktoren begründet werden. DIY-IBA: Welche Erfahrungen habt ihr mit den Kriterienkatalogen gemacht, gerade in Hinblick auf die Rolle, die eine sich daran orientierende Jury spielt? AK: Gute Erfahrungen. Eine sich daran orientierende Jury spielt eine große Rolle und hat dann auch mehr Spaß daran mitzuarbeiten, habe ich erlebt. IR: Die Jury orientiert sich an den Kriterien und bringt zugleich ihre Erfahrungen in den Auswahlprozess ein – insbesondere die externen Experten. Die Jurymitglieder, vor allem diejenigen, die normalerweise nicht in solche Entscheidungsprozesse eingebunden sind, wie die lokalen und externen Vertreter, aber auch wie in unserem Beispiel die Vertreter des Bezirkes Kreuzberg, welche als nicht-direkt-betroffener Bezirk nicht erwartet hatten, beteiligt zu werden, haben das Auswahlprozedere wertgeschätzt und den Diskurs in ihre Netzwerke getragen. DIY-IBA: Ist es gut, wenn die Kriterien von vornherein bekannt sind? AK: Ja. Es muss aber möglich sein, Kriterien im laufenden Prozess anhand von auftretenden neuen Erkenntnissen und Gegebenheiten fein zu justieren. In aller Offenheit, Transparenz und mit fachlicher Begründung. IR: Ja, die Kriterien und lokalen Voraussetzungen müssen von vornherein bekannt sein, um allen Bewerbern transparente Bedingungen zu schaffen. Auch damit diese nicht nur die Vorteile einer Projektentwicklung, sondern auch deren Herausforderungen einschätzen können. DIY-IBA: Wie kann das, was in den Konzepten behauptet wird, festgeschrieben oder überprüft werden? IR: Indem man gemeinsam Meilensteine und Phasen der Projektumsetzung abstimmt und diese Ziele regelmässig überprüft. Nicht vorhersehbare Hemmnisse müssen projektorientiert gelöst, Verfahrenszeiten und Umsetzungsschritte gegebenenfalls angepasst werden. AK: Es sollte eine Prozessbegleitung samt Dokumentation von Anfang an geben, auch um diese anschließend veröffentlichen zu können. DIY-IBA: Ihr habt gesagt, dass es wichtig ist, Spielräume für Anpassungen der Konzepte zu lassen. Habt ihr Beispiele für Anpassungen? AK: Nehmen wir das Beispiel Blumengroßmarkt: Im Verlauf der Vergabevorbereitung stellte sich heraus, dass weitere Teilaspekte, hierbei die Umsetzungsvorstellungen der Bewerber für ein Mobilitätskonzept, Abstimmungen mit dem Sanierungsgebiet, Schnittstellen zum städtischen Raum, das Bereitstellen finanzieller Mittel für eine Umfeldeinbindung und so weiter abgefragt und berücksichtigt werden sollten. Das hat dann auch seinen Niederschlag in den Vergabeentscheidungen gefunden. IR: Die Spielräume zur Anpassung von Konzepten müssen gegeben sein, sonst sind das keine lernenden Systeme und dann nützen sie nichts oder nur wenig und vor allem oft nur einem Projektpartner und oft nur dem, der nicht die ökonomischen Risiken trägt. DIY-IBA: Ist der Vergabeprozess nachträglich evaluiert und für künftige Vergaben verändert worden? IR: Das Pionierverfahren ist aktuell in der Evaluation und wird im Anschluss angepasst. Seit der Auslobung des ersten Aufrufes 2010 ist sehr viel passiert: der Hauptstandort der IGA ist nun in Marzahn, die IBA wird DIY weitergetragen, das Thema Wohnen wird am Standort verstärkt nachgefragt. Interessanterweise berührt das alles das Pionierverfahren im Kern wenig. Das Verfahren ist auf eine nachhaltige Entwicklung des Standortes angelegt und in sich schlüssig und eigenständig. AK: Evaluiert? Nicht durch mich. Wohl auch eher nicht durch LiFo, BGM, Senat oder andere. Aber: Wohl doch zum Teil, da die Kriterien vom Blumengroßmarkt jetzt auch bei der Vergabe der Rathausstr. 12 in Lichtenberg seitens des Lifo Anwendung finden sollen. Leider liegt mir nichts Exaktes dazu vor, Transparenz wird immer noch klein geschrieben. Schlussendlich sei aber positiv bemerkt, dass ich mit der Geschäftsführung der Berliner Großmarkt GmbH überein gekommen bin, eine solche gemeinsame Evaluation Anfang kommenden Jahres 2014 zu erstellen.DIY-IBA fragt Sonja Beeck
DIY-IBA: Du hast an mehreren IBA´s teilgenommen und auch in Berlin maßgeblich als Teil des Prä-IBA-Teams in der Konzeptphase mitgewirkt. Erschien dir in Berlin eine IBA eher als eine politische Chance, oder als eine politische Notwendigkeit?
SB: Eine IBA ist nie eine politische Notwendigkeit, sondern eine große Chance, denn sie ist meist ein Instrument, mit dem sich auf hervorragende Art Probleme bearbeiten lassen. Es bedarf vor allem eines politischen Willens, eine IBA zu wagen. Es ist dann immer auch ein Wille zu einem Experiment, denn Scheitern muss einkalkuliert werden, denn man weiß nicht exakt, was bei einer IBA herauskommt. Dieser politische Wille muss nach und nach erzeugt werden beziehungsweise entstehen. Und vielleicht ist es heute eher so, dass ein solcher Wille besser von einer nicht-institutionell verankerten Bürgerschaft initiiert wird, auch wenn dies vielleicht der anstrengendere Weg ist. Eine DIY-IBA wäre beispielsweise eine solche langsame, aber eben unaufhörliche Initiative, um ein Instrument wie die IBA in Berlin sinnvoll zu nutzen. DIY-IBA: Die DIY-IBA ist fürs Erste als redaktionelle Tätigkeit gedacht, um das, was in Berlin aus Selbstinitiierung und mit großer Vielfalt passiert, in seiner Komplexität besser begreifen zu können. Hättest Du deinerseits Anregungen, worauf wir einen Schwerpunkt legen sollten? Und welches Format könnte eine DIY-IBA darüber hinaus annehmen? SB: Ich fände eine Website mit einem redaktionellen Team gut, das DIY Initiativen in Berlin begleitet und ganz nah an den realen Prozessen die Schwierigkeiten und Erfolge skizziert – ja, quasi die Bauanleitungen für Projekte aller Art formuliert, im Sinne des Open Source Gedankens. Ich bin selber Teil einer Baugruppe, die gerade selbst ein Stück Stadt baut und wir allein hätten schon viel experimentelles Wissen weiter zu geben, von der gut formulierten Bauvoranfrage, über die Tücken der internen Kommunikation, bis zur Ermittlung eines ordentlichen Kostengerüstes. Über diese Seite könnten Erfahrungen ausgetauscht werden und Manuals bzw. verständliche Handreichungen verfasst werden. Gerade auch der Verwaltung sowie der Politik würde eine solche Plattform zeigen, nicht nur wie viel es gibt, sondern auch, was es vielleicht noch nicht gibt und überdies anderen Initiativen die Angst vor dem DIY nehmen. DIY-IBA: Die Baugruppe, von der Du sprichst, wird die erste gewerbliche Neubau-Baugruppe in Berlin sein. Innovative Experimente dieser Art werden in der starken Berliner DIY-Szene weiterhin gemacht. Die Akteure sind gut vernetzt und geben ihr Wissen oftmals kollegial weiter. Die Frage ist, wie die öffentliche Hand und die Wohnungsbaugesellschaften zu diesem Kreislauf dazu kommen? Und an diesem Wissen partizipieren können. Siehst Du hier Schnittstellen, an denen das gelingen kann? SB: Solche Verfahren wie zum Beispiel das qualifizierende Verfahren (QV), das um den Blumengroßmarkt für alle Baugruppen gerade gemacht wird, ist ein ganz gutes Instrument, die Verwaltung in die Sorgen und Nöte der Baugruppen einzubinden. Auch finde ich den Urban-Living-Wettbewerb, den Regula Lüscher ausgerufen hat, eine gute Idee, weil er die Wohnungsbaugesellschaften in die Liegenschaftspolitik einbindet. Eine Baugruppe ist ein nicht unerhebliches juristisches Risiko. Ich halte es deshalb für sinnvoll, mehr Werbung für die Form der Genossenschaft zu machen. Genossenschaften sind eingeführte Gesellschaften und seit Herrn Raiffeisen interessante Marktakteure einerseits und hervorragende Interessensvertretungen andererseits. DIY-IBA: Du bist als Hochschullehrerin tätig. Siehst du gerade Veränderungen in den Methoden der Stadtplanung, und inwieweit spielt das DIY, also das initiativ werden von neuen Akteuren in der Stadt eine Rolle? SB: In meiner Zeit an der Universität Kassel habe ich in vielen Projekten und Vorlesungen immer wieder das Selbermachen von Stadt als eine Herangehensweise von Stadtentwicklung gelehrt und mit den Studenten ausprobiert. Wichtig ist, das ausgewogen zu tun. Neben DIY gibt es auch noch die hoheitliche Planung und man sieht zur Zeit gut, wie sich z.B. auch die Bauleitplanung verändert und alles in Bewegung gerät. Didaktisch ist das alles schwierig, denn die Studenten müssen auch selbst vor Ort tätig werden. Das gelingt manchmal sehr gut, performativ, 1:1 – manchmal ist es schlecht. In jedem Fall ist es als Lehrende extrem aufwendig und auch in der Benotung eine Grauzone.DIY-IBA fragt Arno Brandlhuber und Christian Schöningh
DIY-IBA: Ihr betont beide den Moment der Kooperation in euren Büronamen. Christian als Teil der Zusammenarbeiter und Arno in Form des + hinter dem Namen Brandlhuber. Zugleich seid ihr beide keine Freunde des Begriffs "Partizipation". Welche Begriffe sind für euch passender?
CS: In Anlehnung an alte gewerkschaftliche Kämpfe, also vor unserer Zeit, und die seinerzeitige Errungenschaft, die heute niemand ernsthaft in Frage stellt: "Mitbestimmung". So selbstverständlich, wie heute Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen paritätisch in den Aufsichtsräten der Industrie vertreten sind, gehören Akteure, zum Beispiel der DIY-Projekte, in die Schalt- und Kontrollinstanzen der Stadtentwicklungspolitik.
AB: Es geht um die Frage von Augenhöhe in diesen Prozessen. Oft funktioniert Partizipation analog der etablierten Quartiersmanagements, also als eine zwischengeschaltete Instanz, mit dem Effekt, dass Bürger nicht mehr direkt mit Politik und verantwortlicher Verwaltung in Kontakt kommen, wie man das über direkte Formen von Demonstrationen bis zu anderen Formen des Protestes erprobt hatte. Sondern dass dergleichen in einem geregelten Verfahren aufgeht.
DIY-IBA: Du sprachst einmal davon, Christian, dass jedes Projekt immer auch ein Debattenbeitrag sein soll. Wie erkennt ihr beiden die neuen Spielfelder, die ihr gerne betreten möchtet?
AB: Immer dann, wenn ein Defizit auftaucht, sind Spielfelder erkennbar. Um das an einem Beispiel festzumachen: Wenn wir uns als Architekten immer unwohler fühlen in der Iglu-artigen Wärmedämmung, mit der wir jetzt bauen müssen, ist die Frage: wie geht man mit dem Energieeinspargesetz um? Also muss man da hinein. Unser Projekt in Krampnitz zielt genau dahin, und zwar eine Energieeinsparverordnung zu erfüllen: ohne Wärmedämmung und ohne die klassischen Maßnahmen, also jeden Teilbereich der Wohnung auf die gleiche Temperatur zu bringen. Und stattdessen einen im Winter viel kleineren geheizten Bereich zu haben, sich im Winter anders zu verhalten als im Sommer und damit das Thema viel näher an die Nutzer heran zu bringen. Und das ist dann keine primär gestalterische Frage, sondern ein Debattenbeitrag, der bestimmte Ästhetiken angreift und dadurch in vielen Bereichen kommunizierbar wird.
CS: Meine Motivation wird weitgehend bestimmt von dem Anspruch auf Wirkung, oder Relevanz. Da, wo wir uns die versprechen, "melden wir uns zu Wort". Ein aktuelles Beispiel ist die Initiative der Entwicklungsgenossenschaft Tempelhofer Feld eG, mit der wir den Prozess neu ordnen wollen zugunsten einer örtlich verankerten Planungs- und Entscheidungskultur. Das Tempelhofer Feld wird, wenn uns das gelingt, eine DIY-IBA nach dem Muster der 80er Jahre IBA: "IBA alt" am Tempelhofer Damm mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und "IBA neu" mit der Entwicklungsgenossenschaft auf dem Baufeld Oderstraße. Der Unterschied zu den 80ern: der prozessorientierte Teil der dual aufgestellten „IBA“ kümmert sich dieses Mal um ein potenzielles Neubaugebiet.
DIY-IBA: Wie verhalten sich bei euch Theorie und Praxis zueinander? Habt ihr die Sehnsucht oder empfindet ihr die Notwendigkeit, euch umfassender zu einem Konzept von Stadt zu äußern? Insbesondere wenn so etwas wie die Idee der "gemischten Stadt" von unterschiedlichsten Seiten für letztlich unvereinbare Interessen vereinnahmt und damit als Begriff ausgehöhlt wird?
CS: Ja! das ist dann wirklich eine Mischung aus Sehnsucht und Notwendigkeit: hohle Begriffe in den Debatten oder Programmen führen zu: Nichts. Deshalb das Projekt als Debattenbeitrag. Wie geht das: "gemischte Stadt" - "Nachhaltigkeit" - "Partizipation"? Stadtentwicklung ist keine Wissenschaft; um aber trotzdem zu forschen und zu lehren – und eben nicht nur die Studierenden – taugen Versuchsanordnungen in Echtzeit und Realraum am besten.
AB: Also wenn wir Praxis als Bauen verstehen und Theorie dort beginnt, wo nicht gebaut wird, müssten wir diese Begriffe verschieben. Wir sehen alle Arten an Debattenbeiträgen, von Einmischungen in allen Formen und von Beschreibungsmodellen als Praxis. Neben einem einzelnen Gebäude, das eine beschränkte Reichweite hat und es zudem unerheblich ist, ob in einer bestimmten Größenordnung ein Haus rot oder blau ist, macht eine Beeinflussung der Kommunikation von Inhalten viel mehr Sinn. Das meint Inhalte auf der Ebene von Gleichgesinnten, um sich auf eine bestimmte Position einigen zu können, aber auch im Umfeld von divergierenden Interessen.
DIY-IBA: Ist damit gemeint, dass ein Projekt auch dann Gültigkeit besitzt, wenn es zwar nicht gebaut ist, aber zumindest soweit fortgeschritten ist, dass es realisierbar wäre?
AB: Nein, überhaupt nicht. Eine Debatte kann auch heißen, dass man bestimmte Begriffe einführt, zum Beispiel gegen den Begriff der "gemischten Stadt", der schon so vereinnahmt ist, den Begriff der Heterogenität zu setzen, weil er unbesetzter und zugleich auch präziser durchdeklinierbar ist.
DIY-IBA: Weshalb es für uns als DIY-IBA interessant ist, euch gemeinsam zu interviewen, liegt auch daran: Bei euch beiden besteht ein wesentlicher Teil der Arbeit im Entwickeln von Verträgen und Rechtskonstruktionen. Welche Rolle spielt der Rechtsrahmen in eurer Arbeitsweise?
CS: Ganz klassisch: beschreib, was du willst, und der Jurist (in mir) konstruiert die geeignete Form. Es geht dabei um den Rahmen für Programmatisches und den gesamten Herstellungsprozess. Nicht umsonst gibt es verschiedene Rechtsformen. Für das, was zur Zeit viele umtreibt, also mitwirken und -bestimmen, teilen statt besitzen, über den eigenen Tellerrand schauen, das gute Leben, Non-Profit, Gerechtigkeit... scheint die eingetragene Genossenschaft in unserem Rechtssystem ideal. Den Rechtsrahmen können Projekte immer nur für ihre Innenwelt definieren. Das bleibt dann nicht ohne Auswirkung auf die Außenwelt; um aber darüberhinaus "echte" Teilhabe an Stadt und Stadtentwicklung zu gewähren, muss am großen legalen Rad gedreht werden. Teilhabe ist bei uns – von Mildtätigkeitssituationen abgesehen – vor allem durch die Frage nach den Besitzverhältnissen geordnet. Da schliesst sich sofort die äusserst relevante Frage "Wem gehört die Stadt?" an. Deshalb steht die Frage nach Mitwirkungsmöglichkeiten in der Stadtentwicklung jenseits der Grenzen des eigenen Projektes für viele auf der Tagesordnung ganz oben.
AB: Also wenn man die Baugesetzgebung als Beispiel nimmt, beschreibt die ja nur den größten gemeinsamen Nenner aller abzubildenden oder vorstellbaren Gebäude. Das heißt, bis dahin nicht vorstellbare Gebäude – können darin nicht enthalten sein. Wir verstehen diese Arbeit in dem Rechtsraum wie ein Schachspiel, auf Regeln basierend, um an deren Rändern zu schauen, wo die noch offen sind, und die Ränder zu einem neuen Ergebnis zu formulieren.
DIY-IBA: Ist das Schach, oder eher Judo?
AB: Tai-Chi ... oder andere Formen. Aber da es offensichtlich um ein Regelwerk geht, das in Rechtsnormen formuliert ist, geht es für uns maßgeblich darum, diese soweit spielen zu können, dass das Gegenüber nicht in der Situation ist, das zu verhindern.
DIY-IBA: Gebäude werden in der Disziplin Architektur zumeist hinsichtlich ihrer Funktion, ihres Entwurfs und ihres Materials eingeordnet. Wäre es nicht naheliegender, sie zuallererst als Rechtsformen zu beschreiben?
CS: Die Rechtsform gehört dazu, neben anderen wichtigen, auch "klassischen" Programmbestandteilen. Wir machen auf diese Art "parametrische Architektur"; aber eben nicht mit geometrischen, sondern mit sozialen, funktionalen, juristischen, finanziellen und organisatorischen Parametern. Farbe, Material, Raum, Form und so weiter sind als Architektur in ihrer tatsächlichen Wirkung auf Umwelt und Nutzer extrem abhängig von den genannten Rahmenbedingungen ihrer Entstehung. Denn die bestimmen maßgeblich die Weiterentwicklung von Gebäuden, die bei einer üblichen Nutzungsdauer von vielen Jahrzehnten mehrfache Rundum-Veränderungen vor sich haben, bis hin zur Unkenntlichkeit oder ihrer völlig überflüssigen Zerstörung. Das bedeutet, dass es auf lange Sicht primär darauf ankommen kann, wer über diese Zukunft bestimmt und nicht, was die Architektur der Erstnutzung ausmacht.
AB: Gebäude sind von vornherein über eine Rechtssituation beschrieben. Um beim Beispiel zu bleiben, durch energetische Bedingungen, die dann zum Lochfenster führen, weil der Fassadenanteil nur mehr x % verglast sein sollte und y % geschlossen. Das bedeutet ja nichts anderes, als dass wir uns längst in diesem Rechtssystem befinden. Es ist also die Frage, wie man das Rechtssystem anders spielen kann. Ich würde das gar nicht gegeneinander positionieren. Wenn wir jetzt als Selbstentwickler von schwierigen Immobilien oder schwierigen Grundsituationen auftreten, dann vielleicht genau deswegen, weil dieser Mehrwert, den man sozial, kommunikativ und wahrscheinlich auch architektonisch damit herstellen kann, mit einem zwischengeschalteten Auftraggeber, der ein zusätzliches Rechtsmodell mitbringt, nicht mehr zu leisten wäre.